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Katharsis

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„Gottverdammt, welch verrottender Unrat würmt denn dein Gehirn, meine Liebe?“, brüllte ich die leichenblasse Gestalt vor mir an. Meine Worte hatte ich mir schon vor endlosen Wochen in noch endloseren Nächten voll Nachdenkens zurechtgelegt, deshalb sprudelten sie nur so aus mir hervor.
„Du würdest nie verstehen, warum das Glitzern nie aus meinen Augen weicht, selbst wenn die dunkelste Eklipse den Mittagshimmel zerbricht! Oh, ja!“ Ich brachte meinen Kopf auf ihre Höhe. Der Blick aus den braunen Augen fixierte irgendeinen Punkt, der hinter meiner Schädeldecke lag. Nichts deutete darauf hin, dass sie mich noch wahrnahm.
„Was würdest du erblicken, wenn du tatsächlich bis hinein sehen könnest, hä? Schwärze? All das Blut? Das Metall, die Tränen und den Krach, der mich selbst in Orkanaugenzeiten heimsucht? Sag mir, was?!“ Diesmal hatte ich ihr in meiner Rage ein paar Speichelspritzer auf die fast weiße Haut ihres Gesichts gespuckt, doch sie zuckte nicht einmal. Überhaupt bewegte sie sich nicht, sondern starrte nur ins Leere.
Ich begann, in dem Keller, den ich für uns beide ausgesucht hatte, herumzugehen. Peinlichst achtete ich darauf, nicht mit meinen Schuhen den Müll, der auf dem Boden lag, anzustoßen, denn allein sein Gestank ließ mich würgen. Die Leute wussten solch wunderbare Orte einfach nicht zu schätzen und sahen sie nur als Endlager für ihre Abfälle. Narren allesamt!
„Doch das alles, das alles gehört nur mir. Jeder Mensch hat sein eigenes Universum, sein persönliches, und in meinem fühle ich mich pudelwohl, weißt du? Insgeheim denke ich, dass jeder andere, der meines erblicken würde – sei es auch nur für eine einzige Sekunde – keines klaren Gedankens mehr fähig wäre. Ja, sogar vielleicht vollends in den Wahnsinn abdriften würde! In meinem Geist treiben ganze Galaxien umher! Spiralnebel, die mit ihren Drachenmäulern um Rote Riesen kreisen, unendliche Bänder enormer Sternhaufen und jedes System bis ins letzte Atom erdacht und feinpoliert. Vollkommenheit tötet, denke, nein, weiß ich! Schon deshalb werde ich nur einen Bruchteil meiner Worthülsen als separat abgetrennte Spreu auf dich rieseln lassen, meine Liebe!“ Mein Kichern am Ende dieses Satzes wäre beinahe in hysterisches Gelächter umgeschlagen, aber ich fing mich natürlich im letzten Moment. Alles bis ins kleinste Detail lange vorher durchgespielt.
„Mein Geist ist so mächtig, ich könnte Städte zerbersten lassen, Menschen psychische Nadeln meines Wahns in ihren Hirnstamm treiben, dass es ihr Fleisch zerfetzt! Das ist es ja, was du nicht verstehen willst! Sieh selbst!“, brüllte ich. Ein Windhauch, der aus dem Nichts zu kommen schien, wirbelte durch ihre schwarzen Haare. Dann löste sich die gemauerte Decke auf, als wäre sie nichts weiter als ein schweißnasser Traum gewesen, aus dem man erwachte. Und ebenso wach lag über uns ein neumondklarer Nachthimmel.
„Wenn ich nur wollte, könnte ich Sterne ineinander stürzen lassen und somit Myriaden von nie gesehenen Lebensformen auslöschen, die nur die kühnsten Wissenschaftler sich je zu erdenken getraut hätten! Aber weißt du auch, dass das Licht jener funkelnden Bildpunkte dort oben fast Millionen von Jahren durch den luftlosen Kosmos gleiten muss, um auf unsere Netzhaut zu fallen?“ Mit dem Finger deutete ich auf zwei der Gestirne, die sich nun aufeinander zubewegten und schließlich in einem Blitz gemeinsam verendeten. Ein erfreutes Keuchen entrang sich meiner trockenen Kehle.
„Schicksal oder vielleicht gar Zufall? Die Kollision vor meiner Zeit ist auch nur ein Produkt meiner Macht, Liebchen. Graut es dir? Ein Fingerschnipp und wir betreten Nichtexistenz. Nein, falsch! Nichtexistenz ist endgültig und rückwirkend und wir haben keine Worte, geschweige denn Vorstellungskraft für solche Taten! Du folgst mir nicht. Folgst du auch den Toten, Liebchen?“ Am Himmel tanzten jetzt rote Sterne ihren zermarternden Veitstanz. Bei ihrem Anblick schwindelte es mir und ich wand mich davon ab. Ich schloss die Augen, doch das Drehen ließ nicht nach und verfolgte mich sogar hinter die Lider.
Nachdem ich eine der Kellerecken dazu missbraucht hatte, meinen Mageninhalt loszuwerden, konnte ich wieder meine Augen öffnen. Über mir war jetzt wieder festes Gestein und kein Reigen glühender Gasbälle mehr. Auf allen Vieren kroch ich auf den Stuhl zu, auf dem wie festgebunden immer noch mein Mädchen saß und drückte ihr einen Kuss auf die spröden Lippen.
„Warum ... warum konntest du mir nie glauben, dass ich das bin, was ich nun einmal bin, Liebchen? Unglaube ist keine Religion. Aber vielleicht gibt es auch für dich so etwas wie einen Himmel. Vielleicht.“ Mit letzter Kraft erhob ich mich aus meiner Position und taumelte zur Tür, die ich hinter mir gut verriegelte.
„Ein Himmel ... aber ... aber nicht heute, mein Liebchen.“
Kurzgeschichte
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